Mit dem Sozialinnovator haben 2020 die hessische Landesregierung und SEND ein Förderprogramm für sozialunternehmerische Ideen gestartet. Über die letzten Monate haben es einige Projekte und Startups in das Programm geschafft. Eines davon ist die flux – impulse, eine Agentur die unter anderem das Makerspace Gießen umsetzt. Wir haben Johannes Schmid und Nils Seipel von flux im Interview.
Hallo Johannes & Nils, euer Projekt ist in dem hessenweiten Förderprogramm “Sozialinnovator” aufgenommen worden. Worum geht es in eurem Projekt?
Wir haben uns das Ziel auf die Fahne geschrieben Bildung im Bereich Digitales & Nachhaltigkeit für alle Menschen in unserer Region verfügbar und einfach zugänglich zu machen. Dafür haben wir eine offene Werkstatt im Herzen von Gießen aufgebaut – den Makerspace Gießen. Dort findet man eine Ausstellung, eine Veranstaltungsfläche, eine Bar und eine große Werkstattfläche mit 3D-Druckern, Lasercutter, Elektronikwerkzeug, einen Textilbereich und mehr. Der Zugang und die Nutzung sind kostenfrei. Dabei ist es egal, ob die Besucher:innen ein erstes Hobbyprojekt verfolgen oder einen technischen Prototyp bauen – jede:r ist bei uns willkommen.
Bei uns steht das Selbstlernen und das Selbstmachen ganz klar im Fokus. Wir sind beide begeisterte Autodidakten und wollen dieses gute Gefühl auch an andere weitergeben. Mittlerweile ist unser Team ziemlich gewachsen und auch mit unseren Projektpartnern haben wir unermüdliche Mitstreiter für dieses Ziel gefunden.
Welches soziale / ökologische Problem löst ihr? Warum braucht man euch?
Auch wenn Bildung in Deutschland frei zugänglich ist, entstehen durch soziale Unterschiede und Startvoraussetzungen Chancenungleichheiten. Man spricht hier auch von der digitalen Spaltung der Gesellschaft. Mit unserem Projekt bauen wir Barrieren ab, nehmen Berührungsängste und ermutigen die Menschen dazu, ihre Bildung selbst in die Hand zu nehmen. Mit unseren Angeboten schließen wir Lücken in der Bildungslandschaft für viele Bereiche: Ob Schule oder Weiterbildung, oft kommen digitale Technologien wie 3D-Druck zu kurz. In unseren 90-minütigen Einführungskursen vermitteln wir solche Technologien ganz praktisch und ohne notwendige Vorkenntnisse. Bei uns gehen die Besucher:innen aus dem Kurs und können wirklich selbst einen 3D-Drucker bedienen oder einen 3D-Scan anfertigen, das ist unser erklärtes Ziel.
Im Bereich Wissensvermittlung finden bei uns auch regelmäßig sogenannte „Impulsabende“ statt. An solchen Abenden blüht unser Herz auf, denn wir bekommen Einblicke in die Projekte an den Hochschulen, aus Unternehmen der Region oder von anderen Initiativen. Unser erklärtes Ziel hierbei ist, dass die Themen leicht verdaulich aufbereitet sind und so von einem breiten Publikum verstanden werden können.
Über das praktische Tun lernen sich bei uns Menschen auf eine andere Art kennen: Eine Freundschaft die in unserer Werkstatt bei einem Projekt geschmiedet wird, ist etwas ganz Besonderes. Menschen lernen sich unabhängig von gesellschaftlichen Kategorien wie Alter, Geschlecht, Erfahrung, Herkunft oder Bildung kennen.
Quasi „nebenbei“ fördern wir so auch die Gründungen, die digitale Mündigkeit und den Transfer in der Region. Für uns sind aber alle diese Themen nur verschiedene Seiten der gleichen Münze.
Wo konnte euch das Förderprogramm schon helfen?
Mit Norbert haben wir unsere Gedanken mit einem Profi gemeinsam ordnen können, um sie auch nach außen besser kommunizieren zu können. Außerdem konnten wir aus dem Netzwerk des Sozialinnovators eine kurze Marketing-Beratung mit Aileen Barz durchführen, die uns wertvolle Tipps für unsere Content-Strategie geliefert hat. Außerdem hilft uns der Schreibtisch im Coworking direkt am Makerspace, da wir dort immer wieder Teammitglieder unterbringen können.
Welche Herausforderungen habt ihr als Sozialunternehmer, was wünscht ihr euch von der Politik?
Unser ganzheitlicher Ansatz stellt uns bei Antragsstellung für Förderprogramm oft vor Herausforderungen, da wir uns immer für einen einzelnen Bereich entscheiden müssen. Wir versuchen jedoch immer verschiedenste Themen miteinander zu verknüpfen, um so gesellschaftliche Relevanz und Motivation zu erzeugen. Zum Beispiel verbinden wir Kunst mit dem Thema Künstliche Intelligenz oder auch 3D-Druck mit gesellschaftlichen Problemen oder dem Bereich Nachhaltigkeit.
Wir wünschen uns daher mehr institutionelle Förderung für einen dauerhaften Betrieb. Mittlerweile sind unsere Finanzen etwas stabilisiert, aber gerade zu Beginn hätte eine Basisfinanzierung doch enorm geholfen. Ohne unsere Partner TIG, THM & JLU wäre die Umsetzung unserer Vision nicht in diesem Umfang möglich gewesen.
Aber abseits davon haben wir in der Stadt Gießen und im Landkreis großen Zuspruch und auch Unterstützung von Seiten der Politik und Verwaltung bekommen. So wurden z.B. unsere Anfragen an die Ämter immer extrem positiv aufgenommen und schnell beantwortet. Auch das Commitment der Lokalpolitik zu unserem Projekt freut uns ungemein.
Hand aufs Herz: Wo siehst seht ihr euch in den nächsten Jahren?
Der Makerspace soll immer weiterwachsen und noch besser in die Stadtstruktur integriert werden. Wir wollen Ausgangspunkt für verschiedenste Projekte und Initiativen sein, wie z.B. auch im Bereich Nachhaltigkeit. Für uns ist eine Werkstatt nur ein Teil unserer Vision. Wir möchten Gießen zu einer schöneren und spannenderen Stadt machen und neue gesellschaftliche Formen der Zusammenarbeit zwischen Menschen, Unternehmen und Institutionen erproben. Für uns immer wieder ein Wunschthema: Ein Bildungs- und Impulszentrum zum Thema Nachhaltigkeit. Jedoch ist das ein Projekt für die etwas weitere Zukunft.[su_divider]