Auf der neuen Crowdfunding-Plattform EcoCrowd, die sich auf den Bereich Nachhaltigkeit spezialisiert hat, tummeln sich einige interessante Ideen und tolle Projekte. In unserer neuen Reihe “Nachhaltigkeit jetzt!” stellen sich die Projektinhaber unseren Fragen. Heute ist das Projekt Schülerreparaturwerkstatt an der Reihe.
Hallo Walter, könntest du dich und dein Projekt kurz vorstellen?
Ich heiße Walter Kraus, bin gelernter Elektroniker, habe über den zweiten Bildungsweg die fachgebundene Hochschulreife erlangt und an der TU München das Physikdiplom. Das Lehramt habe ich an der LMU München studiert. Seit 21 Jahren unterrichte ich Physik und Mathematik an der Ruldolf-Steiner-Schule Schwabing und ich bin seit 14 Jahren Leiter des Schulprojektes “Schüler helfen Roma-Familien in Rosia/Rumänien”.
„Die Schülerreparaturwerkstatt – Reparieren statt Wegwerfen“ ist ein neues Unterrichtskonzept, das ich in unserer Schule umsetze. Repair-Cafés gibt es in der Bundesrepublik inzwischen in zahlreichen Städten. Die Reparatur-Bewegung ist stark auf dem Vormarsch – deutschlandweit sind mittlerweile über 500 Initiativen tätig. Die Idee dabei ist meist dieselbe: Menschen, die sich in bestimmten technischen Feldern gut auskennen, reparieren in ihrer Freizeit defekte Geräte, die von ihren Besitzern andernfalls weggeworfen würden. Damit sollen mehrere Ziele erreicht werden: Die Umwelt wird weniger belastet, weil eine Reparatur meist weniger Energie und Rohstoffe benötigt als ein Neukauf; gleichzeitig stärken Repair-Cafés den sozialen Zusammenhalt am Ort.
Ich habe diese Konzeption an die Möglichkeiten einer Schule angepasst. Seit 2016 bieten wir an unserer Schule das Wahlpflichtfach „Reparaturwerkstatt“ für die 9. und 10 Jahrgangsstufe sowie in der 6. und 7. Jahrgangsstufe der Ganztagsschule an, sodass derzeit 12 Schülerinnen und Schüler mehrmals wöchentlich dafür zuständig sind, defekte Geräte zu reparieren.
Pädagogisch ist dieses Konzept interessant, weil die Schülerinnen und Schüler nach der Methode des entdeckenden, erfahrungsgeleiteten Lernens herausfinden, welche Defekte in einem Gerät vorliegen und wie diese zu reparieren sind. Dazu nutzen sie auch digitale Medien wie z.B. Reparaturvideos auf YouTube. Ehrenamtliche Reparaturanleiter greifen beratend ein, wenn Schülerinnen und Schüler nicht allein weiterkommen.
Wann kam dir die Idee für das Projekt?
Die Straßenzeitung BISS- Bürger in sozialen Schwierigkeiten widmete im Juni 2014 ihr Magazin dem Thema „Das Ende der Wegwerfmentalität“. Es wurde Wolfgang M. Heckel, der Leiter des Deutschen Museums, interviewt und sein Buch „Die Kultur der Reparatur“ empfohlen. Beim Lesen des Buchs reifte in mir die Idee die Reparatur von defekten Geräten als Unterrichtsfach anzubieten.
Worin genau besteht die soziale Komponente des Projekts?
Ideal an unserer Schülerwerkstatt ist, dass wir mit unserer Arbeit kein Geld verdienen müssen. Wir arbeiten ehrenamtlich. Spenden gehen an unser Schulprojekt „Schüler helfen Roma-Familien in Rosia/Rumänien“. Die Schüler erleben so das sinnstiftende, ehrenamtliche Arbeiten, das dem Mitmenschen dient. Dies entspricht auch dem Sozialen Hauptgesetz Rudolf Steiners, nach dem »das Heil einer Gesamtheit von zusammenarbeitenden Menschen […] umso größer [ist], je weniger der einzelne die Erträgnisse seiner Leistungen für sich beansprucht …«. Das Prinzip der Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben den Schülern praktisch erlebbar zu machen, führt bei ihnen zu tiefer Befriedigung. Denn sie erleben, dass ihre Arbeit von anderen gebraucht wird. Solche Erfahrung ist ein wichtiges Ausbildungsziel der Reparaturwerkstatt.
In unserer Werkstatt arbeiten Schüler und ehrenamtliche Reparaturanleiter zusammen. So fördert unser Konzept ein wertschätzendes Miteinander der Generationen.
Wie sieht euer Geschäftsmodell aus?
Nachhaltiges Handeln fördern durch Reparatur statt Wegwerfen. Erhaltene Spenden wieder für ein soziales Projekt spenden.
Was ist derzeit die größte Herausforderung für dich?
Gerade läuft meine Crowdfundingkampagne auf EcoCrowd, mit dessen Erlösen ich gerne die Idee der Schülerreparaturwerkstatt verbreiten würde, damit möglichst viele Schüler dieses Unterrichtsangebot erhalten. Dafür bin ich auf der Suche nach zahlreichen Unterstützerinnen und Unterstützen.
Für die Verbreitung dieses pädagogischen Konzepts soll nun ein Handbuch für interessierte Schulen erstellt werden, das folgende Inhalte umfasst:
- Pädagogisches Konzept der Reparaturwerkstatt
- Tipps zur Werkzeugausstattung
- Vorschläge zur Organisation
- Ratschläge zur Sicherheit
- Reparaturtipps aus unseren Erfahrungen
Um das Konzept weiterzuentwickeln, ist eine wissenschaftliche Begleitung geplant, welche natürlich mit einigen Kosten verbunden ist. Auch diese hoffe ich, durch die momentane Crowdfundingkampagne abdecken zu können. Im Rahmen der Begleitung sollen die pädagogischen Effekte evaluiert werden. Dabei soll geklärt werden, welche Lernerfolge bei den Schülern festzustellen sind, etwa im Bereich der Umweltbildung, im handwerklichen Bereich oder im direkten Umgang mit Kundinnen und Kunden. Auch Aspekte der Entwicklungsförderung in der Pubertät soll betrachtet werden.
Hier präsentieren wir unsere Werkstatt nun auch und geben schon erste Reparaturtipps.
Was sind deine / eure Ziele für die nächsten 12 Monate?
Fertigstellung des Handbuches auch mit Hilfe der Schüler und Kauf und Einrichtung eines 3D-Druckers, um nicht lieferbare Ersatzteile selbst herstellen zu können. Evaluation der pädagogischen Effekte und fundierte Beratung von Schulen bei Schülerwerkstattgründungen.
Mit wem würdest du dich gerne einmal zum Mittagessen verabreden?
Mit Herrn Wolfgang Heckel
Ein Kommentar
Klasse Idee. Ich hoffe noch viele Schule richten Reparaturwerkstättem ein. Hier lernt mann/frau fürs Leben.